Um 7.45 Uhr fuhren wir in Siem Reap los in Richtung Phnom Penh. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch keinen Plan, ob wir dort bleiben oder direkt weiterreisen würden. Erst während der 6-stündigen Fahrt beschlossen wir, eine Nacht dort zu bleiben und uns die beiden wichtigsten Orte der grausamen jüngsten Geschichte Kambodschas anzusehen.
Die Fahrt selber war sehr abenteuerlich. Wir fuhren wohlgemerkt auf der Straße, welche eine der größten Städte dieses Landes mit der Hauptstadt verbindet. Auf großen Teilen dieser Strecke war es aber eigentlich schon zu viel von einer Straße zu sprechen. Eine braune Schotterpiste trifft es eher. Unser Bus ruckelte also an den kleinen Häusern der Dörfer vorbei, die alle unter einer roten Staubschicht lagen. In Phnom Penh angekommen suchten wir uns schnell eine günstige Bleibe (8$ für ein Doppelzimmer). War leider auch nicht ganz sauber, wie wir später feststellten, aber dafür haben wir ja unsere Seidenschlafsäcke dabei und für eine Nacht konnte man es aushalten.
Wir brachen sofort zu Fuß zum S21 Gefängnis auf. Vor dem Regime der roten Khmer war dieses eine Schule, doch sie funktionierten diese mit einfachsten Mitteln in ein Foltergefängnis um. Die ehemaligen Klassenzimmer wurden mit einfachen Backsteinmauern und Holztüren in winzige Zellen unterteilt, in denen die politischen Gefangenen ausharren mussten. Sie wurden gefoltert, bis sie Geständnisse abgaben, auch wenn sie eigentlich unschuldig waren.
Das Motto war: „lieber versehentlich einen Unschuldigen töten, als einen Feind versehentlich zu verschonen“. Feinde der Pol Pot Regierung waren dabei die gebildeteren Leute. Ärzte, Rechtsanwälte, Mönche, Lehrer und Ähnliche. Es reichte aber auch schon, wenn man eine Fremdsprache sprach, weiche Hände hatte oder eine Brille trug.
Getötet wurden diese Menschen letztlich auf dem „Killing Field“ 15 km außerhalb von Phnom Penh, das wir uns heute vor unserer Abfahrt nach Kampot anschauten, wobei bereits viele die Folter im S21 nicht überlebten. Mit einem Audioguide liefen wir über die Stelle, an der mehrere tausend Kambodschaner von ihren eigenen Landsleuten hingerichtet wurden. Insgesamt waren es drei Millionen Menschen die landesweit ihr Leben ließen, das machte etwa 1/4 der Bevölkerung Kambodschas aus. In der Mitte des Areals steht ein hoher gläserner Turm, der zum Gedenken der Toten errichtet wurde. Darin liegen auf 17 Ebenen die Schädel-, Kiefer-, Oberschenkel-, Unterschenkel-, Oberarm-, Unterarm- und sonstige Knochen von hunderten Opfern. Es waren zu viele Gebeine, die sie auf diesem Killing Field gefunden haben, sodass entschieden wurde, den Rest in Ruhe in den Massengräbern liegen zulassen.
Besonders grausam war der „Killing Tree“. Gegen diesen wurden Kleinkinder und Babys mit ihren Köpfen geschlagen, bevor sie in ein Massengrab mit hunderten Kindern und Frauen geschmissen wurden. Die Mütter mussten dabei zusehen, bevor sie mit billigsten Mitteln umgebracht wurden. Äxte, Macheten, Bambusknüppel, die scharfkantige Rinde der Zuckerpalme, waren günstiger als Monition. Die roten Khmer wollten ihre Feinde bis zu den Wurzeln auslöschen. Außerdem gab es so Niemanden, der sich rächen konnte.
Überall auf dem Weg konnte man vereinzelt Knochen und Kleidungsstücke sehen, die langsam wieder ihren Weg an die Oberfläche finden. Ja, wir liefen über Menschenknochen. Traurig, aber eine schockierende Art, den Besuchern dieses Grauen näher zu bringen und vielleicht so etwas in Zukunft zu verhindern. Wir haben bewusst nur zwei Fotos gemacht, dies ist kein Ort für dauerknipsende Touristen.
Wir verlassen nun Phnom Penh im Richtung Kampot. Auch wenn mir die Stadt mit ihren Müllbergen und teuren Preisen nicht sonderlich gut gefallen hat, bin ich froh, dass wir 24 Stunden hier waren um die jüngste Geschichte dieses Landes zu verstehen.
Toll, dass ihr euch nicht nur mit den schönen Seiten eines Landes beschäftigt und auch hier darüber berichtet.
Es wirkt häufig so, als wäre das Land noch immer traumatisiert und die Aufarbeitung fehlt. Ist nur ein Eindruck, aber insofern fanden wir die Geschichte eben auch wichtig, um das Land ein wenig mehr zu verstehen. (Danke für das Lob!)